Donnerstag, 23. Oktober 2014

6 Hostels, 2 Flaschen Schnaps und mein neuer Freund Mr. Lese


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Es ist Dienstag. Aufstehen um 07:30, duschen, zähneputzen und dann galt es ein passendes Outfit für den heutigen Tag herauszusuchen: Lau Chiang und Ryan wollten mit mir 6 Herbergen an diesem Tag besichtigen. Bereits um diese frühe Zeit schien die Sonne in mein Zimmer und es sollte der heisseste Tag (in vielerlei Hinsicht) meines bisherigen Aufenthalts werden. In weiser Voraussicht wählte ich zwei meiner fünf mitgenommen exakt einheitlichen schwarzen Poloshirts aus. Haben diese doch den Vorteil, dass man sich bei Hitze auch mal kurz umziehen kann, ohne dass es jemand mitbekommt. Schliesslich stand ein Lunch auf dem Programm, sowie ein Abendessen mit weiteren Mitarbeitern von YHA China, bzw. der Mingtown Hostel Company. Also ein 2. Shirt in meine Tasche und dann ging es los:
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Lau Chiang, mir Rucksack und Fleeceweste, ging in flottem Tempo in klassischer Herbergsvatermanier voraus. Das Soho-Hostel Shanghai war zu Fuß ungefähr 25 Minuten entfernt. Entlang einer 6 spurigen Straße, über uns der "elevated Highway", ging es durch den Smog. Das Hostel selbst liegt in einem Park, neben einem kleinen Kanal. Die Besonderheit ist die sehr schöne Bar, die mehr an einen Londoner Nachtclub erinnert. Die ca. 100 Betten verteilen sich auf verschiedene Zwei- und Mehrbettzimmer. Leider sind alle Zimmer mit Teppichboden und nicht zu öffendenden Fenstern ausgestattet. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren und ein merkwürdiger Geruch war allgegenwärtig. Nachdem wir einige Zimmer angesehen hatten und das obligatorische "oh you are from Germany and likes beer...ehhh..!"-Bier getrunken hatten, ging es weiter ins "Rock and Wood Hostel Shanghai". Dies lag nur 30 Minuten strammen Fußmarsches entfernt. Lau Chiang zeigte sich auf der Hälfte der Strecke gnädig und wir nahmen noch ein Stück die Ubahn.
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Das "Rock and Wood" hostel hat auch das IYHF Logo an der Tür, wird aber privat betrieben. Der Inhaber Lau Muou und sein Bruder haben dieses Hostel selbst konzipiert und mit viel Liebe zum Details gebaut. Ein kleiner Tümpel mit Fischen, eine schöne Holzterrasse und überaus saubere und gepflegte Zimmer locken viele internationale Rucksacktouristen an. Im Inneren geht es langer Holztisch durch die ganz Lobby und lädt zum "Socialising" ein.
Leider ist die Lage nicht ganz so zentral, was die Crew aber durch Freundlichkeit und excellentes Englisch wieder wett macht.
Lau Muou lud uns zum Lunch in ein Restaurant um die Ecke ein und dann erlebte ich mein ersten "Businesslunch" auf chinesisch. Darüber hatte ich schon viel gelesen und genauso lief es dann auch ab:
Er bekam als einziger die Karte und bestellte verschiedensten (köööööstliche) Gerichte, die alle gleichzeitig an den Tisch gebracht wurden. Da wir von Beginn an einen "guten Draht" zueinander hatten und Lau Chiang und er sich offenbar viele Jahre kennen, wurde auch gleich chinesischer Wein bestellt. Diesen kannte ich ja bereits aus Ryans Familie und wusste was auf mich zukam. Da man ja 45%igen Schnaps nicht so einfach herunterkippen kann, wurde ebenfalls chinesisches Bier bestellt. Wir aßen, tranken, unterhielten uns über Jugendherbergen in China und Deutschland und immer wieder kam etwas neues zu Essen auf den Tisch. Nach einiger Zeit auch noch eine weitere Flasche Schnaps.
Mittlerweile war es 14:30 h und unser Zeitplan etwas durcheinander gekommen. Wir verabschiedeten uns herzlich von einander und wir machten uns mit dem Bus auf zur nächsten Herberge. Vorher wurden die beiden von Lau Chiang noch zu meinem Abschiedsabend eingeladen.
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Das "Old Captain Hostel" liegt direkt am Bund in Shanghai und wird von der Regierung geführt. Dort wurden wir freundlich, aber sehr bestimmt, in Empfang genommen. Bedingt durch die grandiose Lage ist das Haus immer gut gebucht und erinnerte mich in Art und Ausstattung sehr an den Stintfang in den 90er Jahren. Auf dem Dach gibt es eine Bar mit Terrasse die auch für Nichtgäste zugänglich ist. Diese Bar möchte ich unbedingt allen künftigen Shanghai Besuchern empfehlen. Aufgrund unseres Zustandes mussten wir auch die Einladung der Managerin auf das
  "oh you are from Germany and likes beer...ehhh..!"-Bier ablehnen.
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Als nächstes wanderten wir zügigigen Schrittes zum 30 Minuten entfernt liegenden "Blue Mountain Hostel East Nanjing Road". Dieser "Spaziergang" war gar nicht schlecht, zumal inzwischen Regen eingesetzt hatte und wir ein wenig ausnüchterten.
Das Hostel liegt im 6. Stock einer Art Hochhaus. Mit toller Dachterrasse, sehr zentraler Lage an der Haupteinkaufsstraße und Zimmern auf 3-Sterne Niveau kann ich dieses Haus nur wärmstens allen künftigen Shanghai Besuchern empfehlen. Ausserdem bestechen die internationale Atmosphäre und die ausgesprochen gut aussehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - das musste selbst Lau Chiang einräumen. Hier wurden wir dann auch von den "Herbergseltern" (die beide erst 28 Jahre als sind) zu einer klassischen chinesischen Teezeremonie eingeladen. Das war eine schöne Abwechslung.
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Von dort aus sind es nur wenige Minuten zum "Mingtown Nanjing Road"-Hostel.
Der Hostelmanager freute sich sehr über unseren Besuch und nahm uns gleich mit auf eine Hausführung. Auch hier (wie in allen anderen Mingtown Hostels) findet der Reisenden perfekt saubere Zimmer, duftende Holzfußböden, gepflegte und liebevoll gestaltete Küchen und Aufenthaltsräume. Da ich mittlerweile plane im kommenden Jahr privat nochmal nach Shanghai zu reisen, sind die beiden letzten Herbergen meine Favoriten für einen erneuten Aufenthalt.
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Nach der Hausführung vergrößerte sich unsere Gruppe um den Hausleiter und dann lernte ich den sagenumwobenen "Mr. Lee" kennen. Leider konnte mir bis dato niemand erklären was er macht.
Mr. Lee ist vom Typ her die chinesische Ausgabe unseres Finanzbuchhalters Herrn Kroh (liebe Grüße aus Shanghai!) und wir waren uns sofort sympathisch. Das Abendessen hatte Lau Chiang in einem Restaurant neben der Herberge organisiert.
Damit ich es bequem hatte, musste (nach Ansicht der fünf) erstmal ein neuer Tisch, nebst Stühlen, von drinnen nach draußen transportiert werden. Nach dieser Aktion wurde sich in einem kleinen Tumult über die Karte hergemacht. Auf meine verwunderte Nachfrage was denn los sei, erntete ich fragende Blicke und Ryan antwortete: "Nichts- wir suchen nur was aus...". Ach so!
Nach erfolgter Bestellung tauchte eine zierliche chinesische Kellnerin auf und brachte einen Karton mit 16 Flaschen Bier an unseren Tisch. Die Flaschen wurden geöffnet, das Bier in kleinere Wassergläser gefüllt und die halbleeren geöffneten Flaschen einstweilen auf den Boden gestellt.
Mr. Lee brachte einen Toast aus und dann wurde das Bier auf ex getrunken. Dann war Lau Chiang an der Reihe, dann der Hostelmanager der East Nanjing Road, Ryan und ich. So hatten wir also, noch bevor das erste Essen auf dem Tisch stand, schonmal flotte 5 Gläschen Bier intus.
Dann kam das Essen! Da meine Gastgeber offenbar mit Wohlwollen bemerkt hatten, dass ich in den vergangenen Wochen nahezu alles probiert hatte, gab es jetzt das volle Programm:
Entenzungen, Entenköpfe, irgendetwas mit Hoden (was ich zum Glück nicht so genau verstanden hatte) und eine Innereien-Suppe.
Am grössten Respekt hatte ich vor dem Entenkopf. Allerdings halfen die 5 Bier diese Angst schnell zu überwinden -zumal ich ja bei soetwas immer neugierig bin.
Entenköpfe bestehen aus den Schädelknochen und man kann die Haut und einzelne Segmente auslutschen. Lau Chiang warte mich noch - doch es war zu spät: Entenköpfe waren das schärfste was ich bisher jemals probiert habe! Allerdings kommt die Schärfe erst durch, wenn man bereits Stücke verschluckt hat. Also war Bier Nummer 6 - diesmal freiwillig auf ex - notwendig.
Die Entenzungen beinhalten kleine Knochen und sind wirklich köstlich. In Hamburg bekommt man diese im Geflügelladen in der Osterstraße auf Bestellung - für alle die mal kosten möchten!
Als Hauptgang wurde irgendwann ein großes Rechaud mit Nudeln, Gemüse und Fisch in Sezchuan-Pfeffer aufgetragen. Ryan hatte dies extra bestellt, da sich sich meine Vorliebe für dieses Gewürz von unserem gemeinsamen Essen gemerkt hatte. Ich fand das sehr aufmerksam, werde ich doch sooft die Gelegenheit dazu nicht mehr haben.
Das Hauptgericht war phantastisch! Der Fisch von festem Fleisch, welches erst auf der Zunge zerfällt und die Geschmacksnerven, in Verbindung mit dem Pfeffer, in einzigartiger Weise zu stimulieren vermag.
Wir aßen im Endeffekt von 19:45 bis 00:30. Zwischendurch tauchte der Kellner auf, legte Brennpaste und eingelegten Tofu nach und machte diese sommerliche Nacht zu einer meiner schönsten Erfahrungen auf dieser Reise. Auch Mr. Lee ammüsierte sich - ohne Englischkenntnisse- offenbar prächtig und war mächtig stolz, dass der dicke Mann aus Europa das Essen genoss und zugleich sprechen, trinken und essen konnte. Nur das mit dem gleichzeitigen Rauchen beherrsche ich bisher nicht.
Immerhin gelang es mir, irgendwann nachdem die zierliche Kellnerin einen weiteren Pappkarton mit Bier brachte, herauszufinden, was der Job von Mr. Lee ist:
Er "organisiert" den Kontakt zwischen allen Mingtown Hostels in Shanghai und den örtlichen Behörden. Was offenbar nicht immer einfach ist. Aber ich bin mir sicher, wenn das DJH einen Lobbyisten braucht, Mr. Lee wäre definitiv die erste Wahl - der macht das schon. Auf chinesisch!
Anschliessend nahmen wir noch einen "German Beer" im Hostel, um dann um halb zwei in Richtung Etour Hostel zu laufen.
Durch Ryans großartige Übersetzungsarbeit und das gemeinsame Verständnis für unsere Arbeit,
das Verstehen auch wenn man die Sprache nicht versteht,
wird mir dieser Abend unvergesslich sein und es fühlte sich an, wie ein Abend mit alten Freunden die man lange schon nicht mehr gesehen hat. 
Sorry für manchen Fehler, meine Tastatur funktioniert im Moment mangels Batterien nicht so richtig und ich schreibe auf dem Smartphone! LG Daniel

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