Sonntag, 19. Oktober 2014

Andere Jugendherbergen, andere Sitten

D
 Ein Samstag in Shanghai und mein Ausblick auf die kommende Woche
 
In China sind Jugendherbergen immer noch ein wenig exotisch. Unter dem Dach von YHA China - das wie das Deutsche Jugendherbergswerk der "International Youth Hostelling Federation (IYHF)" angehört, gibt es verschiedene private Unternehmen, die hier Jugendherbergen betreiben. Die Vorsitzende unseres DJH Landesverbandes Angela Braasch-Eggert ist seit Kurzem Vorsitzende des Weltverbandes IYHF. Falls Sie das auch lesen, Frau Braasch-Eggert, - Sie hängen hier auf einem Foto in der Bar.
 
Die Jugendherbergen die ich bisher hier kennengelernt habe, gehören zur Mingtown Hostel Gruppe.  Neben diversen Häusern in Shanghai und Hangzhou gehören auch Jugendherbergen in verschiedenen anderen Provinzen Chinas dazu. Kommenden Dienstag reise ich nach Suzhou um die Vizepräsidentin von Mingtown Hostels China kennenzulernen. Suzhou liegt 88 Kilometer von Shanghai aus entfernt im Osten des Landes und wurde von Marco Polo "Venedig des Ostens" genannt. Bekannt für seine schönen Gärten und Parks gehört es zu den beliebten Ausflugzielen in der Nähe von Shanghai. Einige der Parks gehören zum UNESCO Weltkulturerbe.
Die Vizepräsidentin möchte sich mit mir über die Idee von Jugendherbergen und die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Gästegruppen unterhalten. Sicherlich will Sie mir auch auf den Zahn fühlen, ob ich mich gut aufgehoben fühle und ob "alles rund läuft".
Das ist natürlich der Fall:
 
Trotz der bestehenden sprachlichen Barrieren mit den Gästen hier im Etour Hostel, konnte ich mich inzwischen von Spülküche und Blumentöpfen zum Kellner hocharbeiten. Wobei mir positiv auffällt wieviele Chinesen inzwischen gut englisch sprechen. Dennoch muss ich mich an die abweichende Tischkultur gewöhnen: Chinesen essen schnell und verschwinden schnell. Essen ist hier weniger ein entspannter, kommunikativer und von Leckerbissen bereicherter Akt, sondern dient ausschliesslich der Nahrungsaufnahme. Das Essen wird abrupt beendet wenn man aufgegessen hat.
Für mich als Kellner bedeutet das, dass man plötzlich vor einem leeren, oft verwüsteten, Tisch steht und die Gäste weg sind. Bezahlt wird hier bei der Bestellung an der Bar.
Fanden mich die chinesischen Gäste am Anfang sicherlich umständlich bis skurril (ich fragte zwischendurch ob es schmeckt), geniessen die Gäste aus dem Ausland offenbar meine - für hiesige Verhältnisse - aufmerksame Art. Hier eine zusätzliche Serviette, dort ein nettes Lächeln für einen Gast und schon wird mir auch ein wenig Aufmerksamkeit meiner chinesischen Kollegen zuteil, die sich für mein "strange talking" interessieren. 
Gestern war es sehr voll im Restaurant und ein älteres koreanisches Ehepaar hatte 2 Clubsandwiches bestellt. Die werden hier sehr nett präsentiert, dazu gibt es Pommes Frites und einen kleinen Krautsalat. Allerdings dauert das in der Küche teilweise sehr lange und die Prozesse scheinen mir nicht immer ganz schlüssig und sinnvoll. Jedenfalls meckerten die beiden - berechtigt - nach 30 Minuten herum, warum es so lange dauern würde. Als ich in die Küche kam, standen die Sandwiches schon längst (da waren sie noch warm) auf dem Tisch herum, nur die Pommes fehlten noch. Es dauerte weitere 10 Minuten, bis der Koch sich daran machte, diese zu frittieren.
Der Koch packte die Pommes auf den Teller und wollte gerade wild den Ketchup über selbige spritzen - ich rief laut "Stop it!". Daraufhin schnappte ich mir die Flasche und malte mit dem Ketchup auf jeden der beiden Teller einen kleinen Smiley. Sozusagen als Entschuldigung für die Wartezeit und das ich den beiden jetzt gleich halbkalte Sandwiches servieren musste.
Ich wurde komisch von Köchen und dem Kellner angeschaut - als ich die Teller ablieferte und die beiden Koreaner lachten und begannen mit Appetit zu essen, signalisierten mir meine Kollegen, dass die Idee wohl gar nicht schlecht war. Seitdem habe ich schon mehrfach Teller mit Ketchup-Smileys die Küche verlassen sehen.
 
Mal sehen was ich morgen zu tun habe- morgen steht das Thema "Housekeeping" auf dem Programm und die Ladies freuen sich schon auf mich. Das beruht auf Gegenseitigkeit.
 
Gleich werde ich sicherlich noch einen Spaziergang ans Wasser machen. Gestern abend konnte ich nicht so richtig losziehen, da ich ein wenig mit dem Magen zu kämpfen hatte. Ich konnte nämlich beim Abendessen zum ersten Mal den berühmten "Szechuan Pfeffer" probieren:
Ryan hatte einen kalten Hühnersalat (Modell höllenscharf) mit Kohlblättern als Appetizer bestellt.
Als ich den ersten Bissen im Mund hatte, dachte ich zuerst an eine allergische Reaktion! Hatte mir doch keiner gesagt, dass es sich um diesen berühmten Pfeffer handelt - er betäubt die Rezeptoren der Zunge und beschert einem, nach einigen Minuten, ein ganz besonderes Geschmackserlebnis.
Desweiteren gab es Lamm, Bratreis und eine undefinierbare, aber köstlich cremige, Suppe.
Zum Dessert (welches immer gleich mit den anderen Gerichten zusammen gebracht wird) einen süßen fruchtigen Schleim mit Stücken. Die Stücke waren chinesische Süßkartoffeln. Der Schleim so eine Art "Fruchtkaltschale" wie es sie hoffentlich in unseren Jugendherbergen nirgendwo mehr gibt - wobei auch dieses Dessert wieder köstlich war.
Bevor ich also gleich in die Stadt gehe, hoffe ich Ihr habt alle ein schönes Wochenende. Langsam beginne ich Euch alle ein wenig zu vermissen.

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